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Coaching und die Unabhängigkeit des Athleten

Meldung vom 23.09.2000, Copyright © 2000 - www.kothny.de

Sydney: Das Händchen von Teamchef Matthias Behr an der Planche ist genau das, wie es sich Fechter wünschen. Der ehemalige Olympiasieger weiss, was Sportler brauchen, wenn sie nervös sind: „Psycholo- gische Aufmunterung”. Und so kommt es, daß Behr immer den richtigen Ton findet, oooob nun die degenfech- tendtenden Strategen auf der Planche stehen, die flinken Florettisten oder die stürmischen Säbler. Nicht die technische Anweisung ist gefagt, sondern die Anfeuerung ”Hop-Hop” zur richtigen Zeit.

Herzerfrischend, was Sydney 2000 in Sachen Coaching bot: Olympia verwies die Trainer drei Meter von der Bahn und setzten ihnen Aufpasser an die Seite, die sie zur Besonnenheit mahnten, wenn sie sich bei (vermeintlichen) Fehlentscheidungen gestikulierend auf die Obleute stürzen wollten. Fechter waren in Sydney auf sich allein gestellt. Sie mussten mit ihrer Situation allein fertig werden. Einzig und allein aus dem aufmunternden ”Hop-Hop” von dem auf die Zuschauertribüne verwiesenen Matthias Behr konnten sie neue Kraft für neue Aktionen schöpfen.

Eberhard Mehl - Trainer von Willi Kothny und Dennis Bauer - vertritt seit jeher die Auffassung, dass Trainer an der Bahn nichts zu suchen haben und jeder Fechter seine Entscheidung selbst suchen und finden muss: „Nur der Wettkämpfer weiss, zu welchen Aktionen er im Augenblick fähig ist. Jedes reinquatschen von der Seite führt zu Irritationen, entmündigen den Sportler.” Auch Bundestrainer Jochen Rieg vertitt die Meinung, dass Aktivenfechter, die selbst nicht wissen, was sie tun müssen, lieber daheim bleiben sollen. Nur die psychologische Beeinflussung des Obmanns durch den Trainer rechtfertigt das Eingreifen von der Seite, auch wenn die Methode nicht unbedingt sportlich ist und in der Regel den Obmann nur noch weiter verunsichert. Gute Fechter müssen auch Fehlentscheidungen der Unparteiischen einkalkulieren und ihre Fechtweise auf dessen Regelauslegung umstellen.

Willi Kothny zum Beispiel wurde Europameister, als Mehl gerade Urlaub machte. Das ”Hop-Hop” von Behr, von Pysiotherapeuten Valck und der restlichen Mannschaft war es, das ihm psychologischen Rückhalt gab. Und auch in Sydney war es das ”Hop-Hop” des Teams, das Willi zur Bronzemedaille beflügelte. Mehl liess sich nicht einmal dazu hinreissen. Er schwieg. Er hatte seinem Schüler im Vorfeld alles beigebracht, was er zu seinem Erfolg brauchte. Das Bild, vom ferngesteuerten Athleten durch seinen Trainer möge Science-fiction bleiben, auch wenn sich mancher Coach wünscht, seinen Schüler so von sich abhängig zu machen.


Olympischer Boomerang: Happy Olympia. Zwei Gangster brachen aus dem Gefängniss in Sydney aus, schnappten sich an einer Kreuzung das Auto einer Koreanischen Dele- gation, und entfleuchten. Das Kfz wurde 70 Kilometer von Olympia gefunden. Von den gehfaulen Tätern fehlt jede Spur.



Deutsches Florett-Team vergibt letzte Chance

Quelle: sport.de

Sydney: Das deutsche Team sah nicht den geringsten Stich. Einst noch besaß es das Abonnement auf eine Mannschafts-Medaille, jetzt haben die Florettfechter nicht einmal den angestrebten fünften Platz geschafft. Erst patzte Wolfgang Wienand, dann Ralf Bißdorf - das Resultat: Sechster von acht Mannschaften. Gold holte Weltmeister Frankreich nach fragwürdiger Kampfrichter-Entscheidung mit 45:44 über China. Bronze gewann Italien mit 45:38 gegen Polen.

Das deutsche Team ist zum Auftakt der Wettbewerbe im Achtelfinale wieder einmal gegen Polen mit 37:45 ausgeschieden, weil der Bonner Wienand nicht in die Gänge kam. Dann mit dem für den WM-Dritten eingewechselten Youngster David Hausmann ein 45:44 gegen Kuba, wobei der Olympia-Zweite Bißdorf einen 38:40-Rückstand in den Sieg verwandelte. Aber gegen die Ukraine schwächelte auch der Schwabe: Zwei Tage nach dem Gewinn der Silbermedaille ging Bißdorf mit einem 40:34-Polster ins letzte Gefecht. Doch gegen den viermaligen Weltmeister Sergej Golubitsky war der Heidenheimer mit seinem Latein am Ende und unterlag 43:45.

Trotz des Desasters, sah Frank-Eberhard Hötje durchaus noch Positives. Sie hätten hier frischen Wind durch die Jungen erlebt, nach drei Jahren der Stagnation. Endlich zeigte sich wieder einmal eine Mannschaft, und zwar eine mit Perspektiven, urteilte Höltje. Hier sei das Gefühl entwickelt worden, dass sie eine Truppe sind. Der Teamgeist hat die letzten Jahre gefehlt.

Doch genau deshalb war es umso bedauerlicher, dass sich Wienand gegen Polen zu viele Blößen gab. Er müsse das alleine auf seine Kappe nehmen. Er hätte nur Schnitt fechten müssen, das hätte gereicht, stellte der Chemiker in seiner Analyse verärgert fest. Dabei habe vor den Spielen „alles, was messbar ist”, bei ihm gestimmt. Nur nicht seine Trefferquote. So trete man ungern ab. Und deshalb macht Wienand weiter, obwohl er bis Mitte 2001 seine Promotion geschafft haben will. Mit einer Medaille wäre die Karriere beendet gewesen. So aber wird er das Fechten, seine ”Herzensangelegenheit”, noch ein Weilchen betreiben.


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