Sydney: Der olympische Traum des Ralf Bißdorf ist Wirklichkeit geworden. Als erster deutscher Fechter kletterte der 29 Jahre alte Florettspezialist am Mittwoch in Sydney jubelnd auf das Siegertreppchen.
Im Endkampf vom Koreaner Young-Ho Kim nur um einen winzigen Treffer geschlagen, küsste der Heidenheimer immer wieder außer sich vor Freude die Silbermedaille. Der Glücklichere hat gewonnen. Aber ich bin auch mit Silber zufrieden. Eine Medaille bei Olympia, das ist das Größte was es gibt, sagte der Linkshänder.
Die lang ersehnte erste Fechtmedaille wurde von der deutschen Mannschaft frenetisch gefeiert. Ich hoffe, dass damit der Knoten geplatzt ist. Ralf hat gezeigt, dass Misserfolge nicht ansteckend sein dürfen, sagte IOC-Vizepräsident Thomas Bach, der 1976 Mannschafts-Gold mit dem Florett gewann.
Tolle Aufholjagd
Beim 14:15 in einem hochklassigen Finale hatte Bißdorf ein Treffer zum historischen Triumph gefehlt. Der beliebte Heidenheimer, der sich auch als Athletensprecher für seine Teamkollegen engagiert, wäre der erste deutsche Florett-Olympiasieger gewesen. Doch die famose Aufholjagd, als der 29 Jahre alte Schwabe gegen den WM-Dritten Kim den 11:14-Rückstand wettmachen konnte, war am Ende doch nicht von Erfolg gekrönt: Dem Koreaner gelang im dramatischen Finish der goldene Stich zum 15:14 und damit zum Olympiasieg in der Königsdisziplin des Fechtens.
Bereits nach dem ungefährdeten 15:7 im Halbfinale über den Franzosen Jean-Noel Ferrari hatte sich Bißdorf überglücklich mit seinem Trainer Thomas Zimmermann in den Armen gelegen. Danach hatte er sich vor lauter Freude auf das Podium gelegt und alle Viere von sich gestreckt. Sein Ziel war erreicht, die Medaille bei seiner ersten Olympia-Teilnahme war ihm nicht mehr zu nehmen.
Bißdorf kämpft auch mit Worten
Und jeder in der Halle gönnte Bißdorf den Erfolg: Denn der Mann, der Journalist werden will und die Schlagzeilen, die er macht, dann selbst schreiben kann, kämpft nicht nur mit dem Florett, sondern auch mit Worten. Als Vorsitzender der Athletenkommission des Weltverbandes (FIE) gewann Bißdorf ("Man muss den Leuten auf die Füße treten, damit sich etwas bewegt") seit 1997 gegen Funktionäre schon manches Gefecht zu Gunsten der Fechter.
Von den schwachen Ergebnissen im Degen ließ sich der Florettfechter nicht anstecken. Es macht für mich keinen Unterschied, ob vorher Medaillen da sind oder nicht. Da gibt es keinen Druck. Meine Gegner sind dieselben und ich muss vier Gefechte gewinnen, um eine Medaille in der Tasche zu haben, sagte der Heidenheimer vor dem Wettkampf.
Das war ein Super-Finale
Selbstbewusst und hoch konzentriert fegte Bißdorf seine Gegner von der Planche. Ralf zeichnet ein sehr schnelles Denken aus, schilderte Zimmermann einen weiteren Vorteil des Professors, der seine vermeintlichen Schwächen (Nachlässigkeit und spielerischer Leichtsinn) in Sydney völlig verstecken konnte. Auch im Finale war der Deutsche, der beim 3:1, 7:5 und 9:7 aussichtsreich führte, nicht schlechter als sein Gegner. Das war ein Super-Finale und eine Werbung fürs Florett. Und obwohl ich nicht gewonnen habe, war es genial und fantastisch, konstatierte Bißdorf.
Ein Stein vom Herzen fiel den deutschen Fechtern durch die erste Medaille. Schade, dass Ralf nach dieser tollen Leistung die Goldmedaille verpasste. Am Ende ging es nach dem Motto: Alles oder nichts. Aber dies ist überhaupt kein Grund, Negatives zu sehen. Ralf hat den Anfang gemacht. Jetzt hoffe ich, dass noch weitere Medaillen hinzukommen, sagte Teamchef Matthias Behr. Mit Bißdorfs Silber ist die Ausbeute in Sydney bereits besser als in Atlanta (einmal Bronze).