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Die Morgans verstehen die Welt nicht mehr
(Brief von Willi Kothny an den Vater)

Meldung vom 07.02.2005, Copyright www.kothny.de

Hallo Erik,

Alles läuft prima. Die Baustelle, das Projekt ist sehr bekannt. Es kommen immer mehr Leute und wollen Hilfe von uns. Ich selber habe kein Problem diese zu unterstützen. Ich brauch aber eben die Gewissheit, dass die Leute, denen geholfen werden soll, genügend Arbeiter zu Verfügung stehen, sodass die Baustoffe nicht irgendwann einfach verschwinden.

Heute kam eine Gruppe, angeführt von einer Thailänderin, die mich aus dem Internet kennt, und trug mir ihr Anliegen vor. Sie selber ist ein Opfer des Tsunami. Sie hat einen Teil ihrer Familie bei dieser Naturkatastrophe verloren und ist jetzt selber zu einer wichtigen Person in Ban Nam Kem forciert.

Die Situation ist wie bei all den anderen Morgan, sie dürfen nicht wieder an den Ort zurück, an dem sie zuvor gelebt haben. Die Begründung ist, dass sie keine Hauspapiere haben und deswegen kein Recht hätten, zu bleiben. Sie hätten alle keine Beweise, dass sie an ihren jeweiligen Orten gelebt haben.

Nur denke ich, dass die Ortsvorsteher diesen Leuten vor einiger Zeit eine Hausnummer zugewiesen haben, sodass diese Ortsvorsteher darüber informiert sein müssten. Der Punkt ist aber, dass manche Gemeindeoberen denken, dass ihre Tage gezählt sind, und womöglich versuchen, noch schnell Kapital aus ihrem jetzigen Posten zu schlagen. Ich selber kann nicht viel mehr machen, als die betroffenen Morgans und anderen Gruppen zu unterstützen, über ihr Schicksal aufzuklären und auf www.kothny.de zu veröffentlichen.

Hier läuft zur Zeit was ab, was ich echt nicht verstehe. Ist Geld denn so wichtig, dass man Betroffenen ihr Leben noch schwerer macht als zuvor? Das Leben vor dem Tsunami hat doch eigentlich gut funktioniert? Es gibt immer hier und da Fälle, wo es knirscht, aber jetzt brennt es an so vielen Orten, dass ich denke ”nur ER kann diese Situation lösen”.

Es geht hier nicht mehr um Wiederaufbau, es geht jetzt mehr um Menschlichkeit und den Leuten zumindest so gut wie es geht, die alte Situation wiederherzustellen.

Das ist unsere Mission, ansonsten bräuchten wir nicht helfen.

Am Bau läuft alles besser als geplant. Ich denke ab und zu, dass Buddeln dem Jörg in den Genen liegt...


Hier koordiniert Jörg eine neue Gruppe für die Buddelarbeiten.
Löcher für das Volk!
„Jetzt kommt doch endlich her. Das ist doch das letzte Loch.”


Wir kamen. Wir buddelten und ...


Wir siegten! Hier hebt Jörg das letzte Loch aus.
Er war der schnellste Buddler, aber meine Gruben waren schöner! :-)


Skeptisch, aber glücklich darüber, dass ihr Haus jetzt angefangen wird,
beäugen die Besitzer des dreißigsten Hauses die Bauarbeiten.

Ich selber bin jetzt im ersten fertigen Haus und schreibe diesen Text. Unsere Leute aber gehen heute zu den Wahlen. Alle haben gesagt, dass sie die gelieferten T-Shirts (mit der Aufschrift: ”Morgans für Willi, Willi für Morgans” Anm.d.Red.) bei den Wahlen tragen wuerden. Gestern habe ich noch lange mit den Morgan an unserem Tisch gesessen und gesprochen. Sie sagten, dass Morgan people noch nie in der Presse vertreten waren und dass sie jetzt stolz sind, durch ihre Aktivitäten einen Teil dazu beitragen können, dass sogar das Fernsehen aus Deutschland kommt. Selber sind die Wahlen für sie nur ein Status Symbol. Sie sind Thais und dürfen mitwählen.

Kleine Anekdote von einigen Bauarbeitern gestern bei unserem Lagerfeuer:

Der Wahlführer sagt ihnen, wie der Ablauf der Wahl funktioniert und erwähnt dabei: „Ihr wisst doch: Den Zement hat Ministerpräsident Thaksin bezahlt.”

Zu der Situation vor dem Arbeitsbeginn, als wir noch die kleinen Häuser 4x8m bauen wollten. Es gab eine kleine Diskussion, denn ich habe vor Baubeginn noch gefragt, ob sie Änderungsvorschläge hätten. Sie konnten damals nicht glauben, dass ihre Meinung wirklich gefragt war: „Wir waren uns nicht sicher am Anfang, ob die Frage ernst gemeint war. Da haben wir uns gesagt, besser die Scheisse fest in der Hand als einen Furz in der Luft.”
„Uns hat noch nie jemand nach unserer Meinung gefragt.”
„Wir werden immer benachteiligt.”
„Es wurde entschieden, dass Schulpflicht ist, jetzt wissen wir nicht woher das Geld kommen soll.”
„Unsere Kinder sind unsere Zukunft, wir arbeiten hart und finden das Geld schon irgendwie.”
„Wir werden immer als dumm abgestempelt, da wir uns wenig bis gar keine gute Schulausbildung leisten können.”
„Touristen behandeln uns fairer als unsere Landsleute.”
„Nur Thais feilschen um den Preis der frisch gefangenen Fische. Touristen erkennen es an, dass die Fische durch harte Arbeit gefangen werden und kaufen sie zum fairen Preis.”
„Wenn wir euch nicht hätten, dann hätten wir keine Zukunft.”
„Danke, dass ihr zu uns steht!”

So, jetzt erst mal Schluss, denn gleich könnte es sein, dass die Morgan mit mir zum Fischefangen gehen. Wenn ja, dann mache ich auf jeden Fall Bilder. :-)

Willi


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