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Kothny wird ausgebremst
Das schwere Duell des Fechters

Artikel von Wolf Günthner in der Stuttgarter Zeitung vom 08.02.2002


Stuttgart: Der Säbelfechter Wiradech Kothny will künftig für Thailand starten. Aber das ist nicht so einfach, denn der Deutsche Fechter-Bund (DFB) verweigert ihm die Freigabe.

Er ist hin und her gerissen zwischen Kulturen, Menschen und Organisationen. Wiradech Kothny, dessen Name so nur in der Geburtsurkunde steht und der von allen ”Willi” gerufen wird, ist erst 22. Aber er hat schon so ein bewegtes Leben hinter sich, dass genügend Stoff für einen Roman vorhanden wäre. Der junge Mann weiß nicht, wo er hingehört. Dieses Schicksal teilt er mit vielen, die in der Ferne geboren und in Deutschland aufgewachsen sind.

Willi Kothny, der vor 18 Jahren von einem deutschen Bundeswehrmajor aus einem thailändischen Waisenhaus in Pattaya nach Deutschland geholt und adoptiert wurde, saß in der Vergangenheit oft zwischen den Stühlen. Doch nie war sein Name - Wiradech heißt der Willensstarke - mehr Ansporn als heute. Willi Kothny, Europameister von 1999 im Säbelfechten und bei den Spielen in Sydney zwei Mal mit Bronze dekoriert, steht vor dem härtesten Duell seines Lebens. Und er muss den Kampf abseits der Planche gewinnen - sonst endet er nicht mit einem Happy End.

Seit Anfang Januar lebt der Säbelfechter aus Koblenz in Thailand. An der Universität Bangkok studiert er Kommunikationswissenschaften. Mit seinem leiblichen Cousin und Pflegebruder Somkhit Phong- yoo, der in Koblenz zum Trainer ausgebildet wurde, versucht er, sein Weltklasseniveau zu halten. Doch die Sache hat einen Haken: Die meisten Weltcupturniere finden in Europa statt.

Die Reisen um die halbe Welt sind teuer, sehr teuer. Erik Kothny, Willis Adoptivvater, kalkuliert mit 25.000 bis 30.000 Euro. Viel Geld, das die Kothnys nicht selbst aufbringen können. Denn Willi hat als Fechter trotz seiner Erfolge keinen potenten Sponsor. Und der Vater, der bisher die Reisen des Filius bezahlte, hat an dem Crash seiner TV-Firma finanziell zu knabbern.

„Ich hoffe, dass mir der Deutsche Fechter-Bund da hilft. Die haben mir gesagt, dass ich ein Zugpferd bin”, sagte Willi Kothny noch vor einigen Wochen voller Hoffnung, doch diese Hoffnungen haben sich zerschlagen. Der Sportdirektor Claus Janka teilte den Kothnys mit, dass sich der Verband außer Stande sieht, die Mittel für die Flüge zur Verfügung zu stellen. So wird Willi Kothnys Auftritt am Wochenende beim Weltcup in Bonn sein vorläufig letzter sein.

Und wie schon bei den Turnieren in London und Budapest an den vergangenen Wochenenden wird er sich als Weltreisender zwei Mal elf Stunden lang ins Flugzeug setzen: Freitag nach der Vorlesung Abflug von Bangkok nach Frankfurt, am Samstag Anreise zum Turnier, am Sonntag Fechten - und danach geht es zurück nach Thailand. Damit er rechtzeitig zur Vorlesung am Dienstagmorgen erscheint.

Eigentlich wollte Kothny nach dem Abitur im vergangenen Sommer eine Ausbildung zum Reisebürokaufmann starten. Doch dann packte ihn das Heimweh. Als er nach der Weltmeisterschaft Urlaub im Fernen Osten gemacht hatte, stand sein Entschluss fest, ”nach Hause” zurückzukehren, eine Thailänderin zu heiraten und sesshaft zu werden. „Ich hatte immer Fernweh nach Thailand, auch wenn ich mich in Deutschland sehr wohl gefühlt habe”, sagt er.

Vater Erik Kothny versuchte ihn davon nicht abzubringen. „Mein Ziel war es, dem jungen Thai in Deutschland eine gute Ausbildung zu geben. In der Hoffnung, dass Willi später in sein Geburtsland zurückkehren möge, um dort sein Wissen zum Wohl des Landes einzusetzen. Aber dass Willi im Fechten solch eine tolle Karriere machen würde, war nicht geplant.” Nun hat der Adoptivsohn eine große Chance, in seiner Heimat etwas zu werden. „Wenn er sein Studium beendet hat, stehen ihm in Thailand alle Wege für Führungspositionen offen”, sagt der Vater. Zumal Willi deutsch, englisch und thailändisch in Wort und Schrift beherrsche.

Nachdem der Fechter-Bund seinen Spitzenmann mit dem Säbel finanziell nicht ausreichend unterstützen will, droht der Vorzeigeathlet für Deutschland sportlich bedeutungslos zu werden. Der thailändische Verband aber würde Kothny mit Kusshand aufnehmen und finanziell fördern. Vorausgesetzt, Kothny könnte für die Asiaten bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen antreten. Doch der DFB und das deutsche NOK verweigern bisher die Freigabe. Das DFB-Präsidium habe in Abwägung aller Aspekte entschieden, einer vorzeitigen Freigabe vor Ablauf der Sperrfrist nicht zuzustimmen. Dadurch müsste Kothny eine dreijährige Wartezeit absitzen, ehe er für sein Heimatland fechten könnte.

Bei diesem negativen Bescheid hat vermutlich auch so mancher Zwist zwischen den Kothnys, dem Verband und dem Bundestrainer Joachim Rieg eine Rolle gespielt. Denn bei der EM in Koblenz und der WM in Nîmes haben Willi Kothnys krankheitsbedingte Ausfälle der Mannschaft eine Medaille gekostet. „Wir müssen auch an unsere Athleten denken und diese schützen”, sagt der DFB-Präsident Gordon Rapp.

„Ich hoffe, dass ich die Freigabe trotzdem erhalte. Deutschland hätte in mir doch eine Außenstation in Asien”, sagt Willi Kothny. Wiradech, der Willensstarke, denkt nicht daran, im wichtigsten Duell seines Lebens vorzeitig die Waffen zu strecken.


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