Interview mit Willi Kothny
Mittwoch, 27. August 2008
Willi Kothny war ein thailändischer Junge, der mit seiner Mutter nach Deutschland kam, als diese einen Farang heiratete, und dann in Deutschland bei seinem Vater blieb, als die Mutter wieder nach Thailand zurück kehrte. Er wurde zu einem der besten Säbelfechter Deutschlands, bis er sich entschloss, seine erste Heimat zu unterstützen, und statt für Deutschland während der olympischen Spiele für Thailand zu starten.
Nach dem Tsunami-Unglück, sammelte Willi mit der von ihm gegründeten Organisation "Willi Hilft e.V." über 500.000 Euro, um den betroffenen der Katastrophe zu helfen und ein Dorf komplett neu aufzubauen.
Bei den letzten olympischen Spielen blieben seine sportlichen Leistungen hinter den Erwartungen zurück. Die beiden Fechter, die Hoffnungen auf olympische Medaillen hatten, hatten sich schon vor Beginn der eigentlichen Wettkämpfe bitter über die thailändische Organisation beschwert, und dabei für Thailand ungewöhnlich scharfe Worte benutzt. Interviews von Willi waren nach seiner Niederlage in den meisten thailändischen Sendern zu sehen, und er griff die Verantwortlichen Funktionäre noch deutlicher an. Er warf ihnen vor, ebenso wie der andere thailändische Fechter, sogar seine Vorbereitung selber finanzieren und organisieren zu müssen. Die Funktionäre konterten mit öffentlichen Unverständnis und sie hätten doch immer alles bezahlt.
ST:
Willi Kothny, sie haben nach diesen olympischen Spielen Ihren Rücktritt vom aktiven Sport erklärt. Wir glauben, dass Sie keinesfalls enttäuscht sein dürften, denn schließlich sind Sie gegen den zukünftigen Olympiasieger ausgeschieden. Trotzdem die Frage: Sind Sie unzufrieden, so von der Bühne des Sports abzutreten, und wie groß ist, glauben Sie, die Schuld der Organisation bzw. Funktionäre in Thailand an dieser Enttäuschung?
WILLI KOTHNY:
Natürlich ist es keine Schande gegen den späteren Olympiasieger auszuscheiden, dennoch bin ich unzufrieden, weil die Vorbereitung nicht optimal lief. Einmal boykottierte mich der Deutsche Fechterbund und dann fehlte die entscheidende Unterstützung der Amateur Fencing Association of Thailand (AFAT). So konnte ich meinen Trainer Somkhit Phongyoo nicht mit nach Deutschland nehmen. Mein Ziel war es ja vor den Spielen auf einen Platz um die 16 zu kommen. So war ich auf 24 und bekam Zhong Man als ersten Gegner. Bei den Olympischen Spielen fuhr ein General der AFAT mit nach Peking, der sich um nichts, aber auch um gar nichts kümmerte - und so kam es, dass das Trainerstuhl an meiner Fechtbahn leer blieb. Stellen Sie sich das mal beim Boxen vor: Ein Boxer ohne Trainer in der Ecke. Das war ein schweres Versäumnis der AFAT.
ST:
Haben Sie eigentlich Ihre Spesen für die Olympiavorbereitung inzwischen erhalten, und wie viel Geld mussten Sie auslegen?
WILLI KOTHNY:
Bis auf einen Rest von 3.000,-- EURO ist das Geld, das mein Vater verauslagte, bezahlt worden. Nicht mitgerechnet sind da die 10.000 Euro aus der Olympiavorbereitung von Athen. Die schuldet die AFAT auch noch. Aber: Das Gesamtbudget in Höhe von ca. 3 Mio. Baht für die Peking Vorbereitung reicht für einen Leistungssportler hinten und vorne nicht. Wir mussten im Training Abstriche machen. Nur ein Beispiel: der französische Trainer der Chinesischen Nationalmannschaft Christian Bauer bekommt allein in 4 Monaten das an Gehalt, das ich inklusive aller Turnierreisen in 4 Jahren zur Verfügung hatte. Das schlägt sich natürlich auf die Leistung nieder.
ST:
Viele andere Sportler nutzen ihre Popularität zur Sicherung ihrer nachsportlichen Karriere. Sie haben sich aber statt dessen Stark für Ihre erste Heimat engagiert und die erstaunliche Summe von über 500.000 Euro gesammelt, um ein Dorf komplett neu aufzubauen. Manche Kritiker sagen, dass durch die Medienbeachtung, die der Tsunami verursachte, riesige Mengen an Geld in die betroffenen Regionen geflossen sind, während es, unbeachtet von der Weltöffentlichkeit noch unglaubliche Armut und Elend, zum Beispiel in den Grenzregionen zu Burma gibt, und immer noch riesige Defizite in den Chancen der Landbevölkerung gegenüber der Stadtbevölkerung. Wie beurteilen Sie die Situation?
WILLI KOTHNY:
Das kann ich so global nicht beurteilen. Ich stellte mich nach dem Tsunami einer ganz konkreten Situation. Da galt es erst deutschen Touristen zu helfen. Darüber hat das Deutsche Fernsehen berichtet. Daraufhin spendeten Deutsche Geld mit der Auflage, damit thailändischen Tsunamiopfern zu helfen. Darüber berichtetet wieder die Presse, es kam neues Geld - und so weiter. Ich wurde damals in diese Situation hineingeworfen und musste mich freischwimmen. Natürlich habe ich persönliche Opfer bringen müssen, auch meine Beziehung ging darüber in die Brüche. Aber in solchen Augenblicken denkt man daran nicht.
ST:
Sie sind in Deutschland aufgewachsen, sind hier zur Schule gegangen und ihre Sportkarriere begonnen. Wie haben Sie die Tatsache erlebt, dass sie "anders" waren. Hatten Sie in Deutschland das Gefühl "ausgestoßen" zu sein, oder benachteiligt zu werden?
WILLI KOTHNY:
Nein, in keinster Weise. Ich werde von den Deutschen als Deutscher akzeptiert - halt nur dass ich ein bisschen dunkler bin.
In meiner Seele bin ich Deutsch.
ST:
Als Sie vor der Wahl standen, zurück nach Thailand zu gehen, oder bei Ihrem Vater in Deutschland zu bleiben, hatten Sie sich für Ihre zweite Heimat entschieden. Immer mehr Kinder aus thailändisch - deutschen Ehen stehen vor der gleichen Entscheidung. Was würden sie den jungen Menschen, rückblickend raten?
WILLI KOTHNY:
Ich habe mich nicht gegen meinen Vater entschieden. Der war mit meiner Entscheidung voll einverstanden. Es gehen ja auch viele Deutsche in die USA zum Studium. Und ich wollte mein Geburtsland kennen lernen. Das habe ich nun getan. Hätte ich es nicht getan würde mir eine wertvolle Erfahrung fehlen. Wenn Kinder aus Deutsch Thailändischen Ehen nur eine Site kennen, fehlt ihnen was.
ST:
Was würden Sie gerne in oder an Deutschland ändern, wenn Sie die Macht dazu hätten?
WILLI KOTHNY:
Man sollte in der Schule das ein Pflicht-Fach "Lachen" einführen.
ST:
Was würden Sie gerne in oder an Thailand ändern, wenn Sie die Macht dazu hätten?
WILLI KOTHNY:
Die Korruption mit Stumpf und Stiel ausrotten. Sie ist in Thailand die Wurzel allen Übels. Thailand ist ein so liebenswertes Land, das von der Gier der Mächtigen missbraucht wird. Leider sagen die einfachen Leute zu allem "Kapom" und fügen sich in die Ungerechtigkeit.
ST:
Was werden Sie jetzt die nächsten Jahre tun, wie sehen Ihre Pläne für die Zeit nach Ihrem Hochleistungssport aus?
WILLI KOTHNY:
Ich werde an der Bangkok International University meine drei restlichen Prüfungen ablegen und dann versuchen, beruflich Fuß zu fassen und mich um meinen Sohn Morgan zu kümmern.
Vielen Dank für das Interview und alles Gute für die zweite Karriere.
FreeThai